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Schule

Das Ende der Generation Praktikum?

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Von der „Generation Praktikum“ zur „Generation Dankbar“. Eine Studie der Internetseite meinpraktikum.de eröffnet neue Sichtweisen auf das leidige Problem vieler junger Menschen, statt eines Jobs nur einen Praktikumsplatz zu bekommen, der noch dazu unter- oder unbezahlt ist. Aber was hat sich denn nun geändert? Das Verhalten der Arbeitgeber oder bloß die Haltung der Jugend?

Seit den 1990er Jahren schwirrt der Begriff „Generation Praktikum“ durch die Luft oder stürmt vielmehr als Windböe durch die Flure der Unternehmen. Als Synonym für die Ausbeutung junger Studenten und Arbeitsuchender wurde der Begriff zum geflügelten Wort und repräsentierte die stumme Wut einer Jugend, die schlecht- oder gar unbezahlt schuften durfte. Die junge Generation fühlte sich ausgenutzt und missbraucht, schimpfte gegen Politik und Arbeitgeber.

Doch wie es scheint, stehen die Zeichen nicht länger auf Sturm. Der Wind hat sich gelegt, das zeigt die wohl bisher größte Praktikantenstudie aus dem Jahr 2012. „Für uns ist der Mythos ‚Generation Praktikum’ entzaubert“, kommentiert Joschka Felten, Online-Marketing Manager bei meinpraktikum.de, die Ergebnisse der Studie. Ausgewertet wurden im Zeitraum zwischen 2007 und 2011 ganze 5.547 detaillierte Bewertungen, die von den Teilnehmern auf der Internetseite abgegeben werden konnten. Und die Ergebnisse überraschen in der Tat: „65,8 % aller Praktikanten sind zufrieden mit ihrem Praktikum, insbesondere mit der Arbeitsatmosphäre und der Betreuung. Von einer generellen Schlechtbehandlung der Praktikanten kann also keine Rede sein“, so Felten. Dass 40% der Stellen unvergütet waren, schien die Praktikanten dabei kaum zu stören. Auch der ermittelte Durchschnittslohn, der mit 290€ weit unter den bisher ermittelten Werten liegt, ist für viele junge Erwachsene offenbar kein Grund zum Ärgernis. Nur die Karrierechancen … naja, die könnten nach Meinung von 58,2% besser sein.

So also die Sachlage.

Aber was heißt das jetzt eigentlich? Ist die „Generation Praktikum“ tatsächlich einfach so „entzaubert“? Oder ist sie nicht vielmehr zu etwas verkümmert, das sich mit guten Zeugnissen und leeren Versprechungen abspeisen lässt? Vom karrierehungrigen Wolf, der nach Recht und Fairness strebt zum Leckerli fressenden Schoßhündchen, das sich schon mit Streicheleinheiten zufrieden gibt. Das Märchen vom kaffeekochenden Praktikanten, der auf seinem Stuhl direkt neben dem Kopierer sitzt und einstweilen mal einen Pieps von sich geben darf, schüchtert viele offenbar so sehr ein, dass ihnen „ihr“ Praktikumsplatz wie das reinste Schlaraffenland vorkommt. Ich erinnere mich an die Worte meiner Mutter, damals beim Schulpraktikum: „Wenn du Kaffeekochen musst – tu’s einfach“. Musste ich dann nicht. Und ich dachte nur: „Schlaraffenland!“.

Mit dem Segen, kam aber auch der Fluch. Die Anforderungen an uns Praktikanten sind gewachsen, während die Bezahlung schleichend unter den Teppich gekehrt wird. Vielen ist das laut Studie egal und das muss es auch. Wer anfängt sich über sein Gehalt zu beklagen, wird schließlich schnell ersetzt, denn die Warteschlange vor der Personalabteilung ist lang, der Weg zum unfreiwilligen Rauswurf folglich sehr kurz. Dass Praktikumsstellen rar sind, für den Aufstieg auf der Karriereleiter allerdings unverzichtbar, verleiht dem Ganzen zusätzlich den bitteren Beigeschmack, den man mit einem Biss in die saure Zitrone zu übertünchen versucht. Wer schert sich um einen fairen Lohn, wenn er damit eine Lücke im Lebenslauf riskiert? Schließlich heißt es sammeln, sammeln, sammeln und zwar Praktika. Davon hat man länger was … quasi das ganze Leben, oder so. Wo ist das Leckerli?

De facto ist dieser ganze Hype um Praktika vor allem eines: Das Schlaraffenland für Arbeitgeber. Die Kulisse vor der junge, billige Arbeitskräfte bequem ausgequetscht werden können, um Zitronensaft aus ihnen zu machen – ihr wisst schon, um über den bitteren Beigeschmack hinwegzutrösten. Diese Masche funktioniert scheinbar ganz gut, denn ohne nennenswerte Verbesserungen hat man „Generation Praktikum“ so zu „Generation Dankbar“ dressiert. Gratulation! Nichtsdestotrotz ist und bleibt es eine Frechheit, junge Menschen in dieser Form zu missbrauchen und auszunutzen.

Ich muss bei alledem so ein bisschen an die Sklaven auf den Tabakplantagen im 19. Jahrhundert denken. Heute ernten sie keinen Tabak mehr, heute ernten sie Zeugnisse, Noten, Kontakte und Aufstiegschancen. Ohne Rechtsschutz, ohne Geld. Nur eines dürfen sie dabei immerhin: Lernen.

Quelle: 
http://www.meinpraktikum.de/praktikantenreport
http://nocheinpersonalmarketingblog.blogspot.de/2013/01/die-grote-praktikantenstudie-aller.html
 
Photo by David Shankbone
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Quelle: http://www.piqs.de 

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