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Reisen

Mit dem Rucksack durch Australien

Reportage zum Work & Travel auf dem roten Kontinent

Wie fühlt es sich an, nach dem Abi alleine durch Australien zu touren? Was nimmt man von einer solchen Reise alles für sich mit? Für siebeneinhalb Monate habe ich ihn gelebt – den Traum vom Weltenbummler. Lest hier meinen ganz persönlichen Rückblick.  

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„Passagiere der Airline Emirates, Flug EK109 nach Dubai bitte zu Gate 16“, tönt es durch die große Lautsprecheranlage des Terminal 2 im Frankfurter Flughafen. Es ist Dienstag, der 03. September 2013. Ich sitze auf einer gemütlichen Bank in der Wartelounge von Emirates und warte genau auf diese eine Durchsage, die den langersehnten Startschuss für eine unbekannte Reise gibt. Mein großes rotes Backpack wird vermutlich in diesen Sekunden in den im Licht der Abendsonne schimmernden Flieger hinter der großen Panoramascheibe geladen. Dieses Flugzeug wird mich innerhalb von dreiundzwanzig Stunden bis ans andere Ende der Welt befördern. Sydney. Australien.

Mir gehen tausend Dinge durch den Kopf, während ich das Flugzeug besteige, am Fenster Platz nehme und hinaus auf das Flughafengebäude schaue, wo meine Freunde und meine Familie sich noch vor einer halben Stunde von mir verabschiedet haben. Bin ich wirklich bereit für das, was mich da erwartet? Habe ich mir zu viel zugetraut? Was, wenn es mit der Sprache doch nicht hinhaut? Plötzlich zweifle ich ein wenig an meinem Vorhaben, allein in einem fremden Land zu arbeiten und herumzureisen. Noch dazu in einem Land, in dem es von tödlichen Gefahren nur so wimmelt. Aber ich rufe mir auch ins Gedächtnis, warum ich mich hierfür entschieden habe. Ich will mehr von der Welt sehen, neue Erfahrungen sammeln, meine selbstgesetzten Grenzen überschreiten und neues Lernen. Ich akzeptiere die Angst.

 

G’day mate!

 

Der Flieger trägt mich über Dubai bis hin nach Sydney. Die größte Metropole eines fernen Kontinents. Als ich nach dem anstrengenden Flug schließlich das bescheidene Hostel im Rotlichtmilieu der Stadt beziehe, falle ich vollkommen übermüdet in eines der Stockbetten und gebe mich widerstandslos dem Jetlag hin.

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Ich vor dem Opernhaus in Sydney.

 

Erst am nächsten Tag gelingt es mir, meine Lungen mit der einzigartigen Schönheit Sydneys zu füllen, während ich zusammen mit ein paar anderen Hostelbewohnern durch den Botanischen Garten laufe und das muschelförmige Opernhaus aus nächster Nähe bewundere. Mir ist am Anfang ein bisschen schwindelig von den ganzen neuen Eindrücken und den sprachlichen wie auch bürokratischen Herausforderungen. Dauernd fühlt es sich so an, als wenn Realität und Traum verschwimmen, insbesondere beim Anblick der australischen Preise. Es dauert einige Tage, bis ich begreife, wo ich gerade bin und was ich hier tue. Ich lerne das Surfen, klettere in den Blue Mountains und genieße Sydneys goldene Sonne und die Strände.

 

Bye-bye Sydney!

 

IMG_2103Zusammen mit meinen drei Reisegefährten Alex, Annalena und Johanna breche ich schließlich auf. Raus aus Sydney, rein ins große Abenteuer. Wir nehmen das Auto und bereisen die Ostküste bis hoch nach Fraser Island, wo wir mit einem Allrad-Jeep über die Sanddünen brettern, im glasklaren Wasser des Lake McKenzie schwimmen und nachts den unvergleichlichen Sternenhimmel bewundern.

Weiter geht es nach Brisbane. Diesmal nur mit Annalena und Johanna im Dreier-Lady-Gespann. Wir sind auf der Suche nach einem Job, der sich auf dem Backpacker-Kontinent #1 bedauerlicherweise nur sehr schwer finden lässt. Agentur für Agentur klappern wir ab, lassen uns auf diverse Listen zum Fruitpicking setzen, verteilen Lebensläufe und klopfen an fremde Ladentüren – leider ohne Erfolg. „Wisst ihr, vielleicht solltet ihr es in den kleineren Städten versuchen. Oder mit WWOOFing irgendwo auf einer Farm“, rät uns schließlich eine junge Backpackerin aus Holland, die sich ebenfalls seit Wochen mit der nervigen Jobsuche herumschlägt. Der Plan klingt gut, finde ich und die Mädels stimmen mir zu. Wir verlassen unseren sicheren Hafen und reisen mit dem Bus wieder gen Süden zurück nach Byron Bay. In die Stadt in der das Dope niemals ausgeht und die Menschen ewig jung sind.
Am liebsten wäre ich hier versunken. Einfach geblieben, bis mich die Wellen, wieder an den Strand der Realität gespuckt hätten.

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Stattdessen bekommen wir ein Arbeitsangebot auf einer Farm in der Nähe und arbeiten mit sechs anderen deutschen Rucksackreisenden für einen geisteskranken Farmer. Zum ersten Mal stoße ich hier an die Grenzen meiner Belastbarkeit. „Beiß die Zähne zusammen“, rät mir Kalle und reicht mir einen Becher Goon während wir auf der schimmeligen weißen Couch auf dem Balkon der Farm sitzen und das glitzernde Meer am Horizont bewundern. „Es kommt der Tag, an dem du das, was du hier lernst, anwenden kannst. Erfahrungen wie diese sind kostbar“.  Die Tage sind lang. Von hier aus beobachten wir neun jeden Abend, wie zwei Pferde zwischen den grünen Zitronenbäumen grasen und malen uns in aller Stille unsere weiteren Abenteuer aus. Im Hintergrund trällert Casper durch kleine iPod Boxen seinen Song „Auf und davon“.

 

Rastlos auf der Suche

 

Und dann ist die Zeit gekommen, weiterzuziehen. Ich verabschiede mich von den anderen und lasse ein wenig schwermütig auch Annalena und Johanna einen anderen Weg als den meinen einschlagen. Ein paar Wochen verbringe ich noch in Byron Bay bei einer hilfsbereiten Familie, die mich für ein wenig Unterstützung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung liebevoll aufnimmt. Aber nachts, wenn ich in meinem roten Caravan liege und durch das Fenster den Sternenhimmel anschaue, bemerke ich das wohlbekannte Gefühl der inneren Rastlosigkeit. Ich will weiter. Mehr sehn. Mehr sein. Mehr suchen.

IMG_3245Also schultere ich wieder meinen schweren Rucksack und setze mich erneut in Bewegung. Von Melbourne – wo ich ein Weihnachten am Strand erlebe – nehme ich die Great Ocean Road nach Adelaide; vorbei an windigen Aussichtspunkten, traumhaften Paradiesstränden,  messerscharfen Klippen und goldenen Felsenbuchten. In Adelaide angekommen, steige ich schließlich aus dem Bus aus und schaue mich um. Deborah steht ein paar Meter entfernt bei ihrem Auto, grinst mich fröhlich an und kommt dann auf mich zu, um mir meinen Reiserucksack abzunehmen. Mein Bus hat eine Stunde Verspätung und ich frage sie, ob sie lange warten musste. „Ach, Quatsch! Ich freu mich, dass du da bist. Wie geht’s dir?“. Die Australierin Deb kenne ich aus einem Hostel, das ich kurz nach meinem Farmdesaster für eine Nacht bewohnt habe. Ich darf ein paar Tage bei ihr und später bei ihren Eltern wohnen und „meine inneren Batterien wieder aufladen“, wie Deb es nennt. Sie zeigt mir die tollsten Strände der Umgebung und verschafft mir einen Job bei ihrem besten Freund Jock, der Winzer ist. Sogar zum Tintenfischangeln nehmen mich die zwei mit und wir lachen uns kaputt, weil dieser Ausflug mit einer vollgetinteten deutschen Backpackerin (mir) endet. Ich könnte ewig hier bei diesen tollen Menschen bleiben und jeden Abend den Delfinen im Meer beim Schwimmen zuschauen.

Doch natürlich ist das Ende meiner Reise noch lange nicht erreicht und der Süden Australiens bleibt nicht mein letztes Ziel. Ich muss weiter.

 

Unendliche Weiten, unendliche Tiefen

 

Zuerst führt die Route nach Alice Springs mit Zwischenstopps an all den wunderbaren Orten, die das australische Outback zu bieten hat. Salzseen, Nationalparks, Uluru (Ayers Rock) unterirdische Städte und knallroter Sand soweit das Auge reicht. Endlose Weite erstreckt sich links und rechts des verlassenen Highways, auf dem es stundenlang nur geradeaus geht. Welcome to the middle of nowhere! Aus dem Herzen Australiens fliege ich in den tropischen Norden, wo zum Zeitpunkt meiner Ankunft die Regenzeit für graue trostlose Tage sorgt. Der Himmel weint pausenlos und ich habe die eklige, drückende Luft schnell satt, weil sie das Atmen zu einem wahren Kraftakt werden lässt.

IMG_1956Zusammen mit meinem neuen Reisegefährten Kay besteige ich an einem verregneten Montagmorgen einen schaukligen Kahn. Wir wollen heute zum Great Barrier Reef und dort den allerersten Tauchgang unseres Lebens absolvieren. „Immer schön auf den Horizont konzentrieren. Das hilft“, ruft mir ein Mitglied der Crew mit breitem Grinsen zu, als er mein blasses Gesicht sieht. Seekrank sein ist oberscheiße! Ein wenig mitgenommen springe ich schließlich im Taucheranzug ins lauwarme Wasser und vergesse für zehn Minuten die Welt an der Oberfläche. Ich bin hier unten, wo Stille und Gelassenheit herrschen und sich jede Bewegung nur in Zeitlupe vollzieht. Ein großer, bunter Fischschwarm gleitet an mir vorbei und verschwindet im tiefen Blau des Ozeans.

 

Kein Job, aber scheiß‘ drauf!

 

Nach wenigen Tagen hier oben im Norden fasse ich den Entschluss nach Adelaide zurückzukehren und wohne für ein paar Wochen in einer Studenten-WG. Obwohl sich der Job-Traum auch hier nicht ganz erfüllt und ich nur meine Unterhaltskosten durch einen Nebenjob als Deutschlehrerin decke, genieße ich die heißen Tage am Strand und freue mich über die Gesellschaft meiner internationalen Mitbewohner.

Der Indian Pacific rollt langsam aus dem Bahnhof. Ich schaue aus dem Fenster. Draußen ziehen die Büsche und Bäume vorbei und vermischen sich langsam, aber sicher mit der trockenen Vegetation des Outbacks. Ich bin auf dem weiten Weg in den Westen, nach Perth. Zwei Tage dauert die Reise mit dem Zug in den mit am dünnsten besiedelten Bundesstaat Australiens. Am Bahnhof erwartet mich Jester, ein hochgewachsener Mann mit Halbglatze, Rugbytrikot und den freundlichsten Augen, die ich je gesehen habe. Sind die Augen nicht bekanntlich die Fenster zur Seele? Bei Jess werde ich für drei Nächte wohnen und Couchsurfing betreiben und natürlich bin ich sehr aufgeregt, weil ich so etwas vorher noch nicht gemacht habe – bei jemandem Wildfremden schlafen. Aber Jess ist der netteste Mensch überhaupt und ich fasse schnell Vertrauen in den ehemaligen Arzt, der schon für internationale Hilfsorganisationen gearbeitet hat. „Stimmt es, dass hier in Perth mittlerweile die Haie abgeknallt werden?“, frage ich ihn einmal, als wir im Auto sitzen. „Ja, stimmt. Und es ist absolut bekloppt, weil nämlich mehr Menschen durch ein Piano sterben, als durch Haie. Ja, durch ein Pi-a-no“, antwortet er. Die Haie tun mir Leid und ich erinnere mich an Deb, die mir damals klargemacht hat, was für schöne Tiere Haie eigentlich sind. Aber ins Wasser traue ich mich hier weiterhin nur bis zur Hüfte. Mit drei Mädels, die ich aus dem Zug kenne, erkunde ich in den Tagen darauf Perth und reise mit ihnen und Jess innerhalb von zwölf Stunden 1400 Kilometer die Küste runter bis nach Albany und zurück. Ich fange schon mal langsam an, dem großartigen Land Australien Lebewohl zu sagen.

 

„Glaubst du, dass wir uns hierdurch verändert haben?“

 

„What would you like for lunch today?“, fragt mich die Stewardess freundlich. Ich schüttle den Kopf und erkläre ihr, dass ich keinen Hunger habe. Mir ist flau im Magen, weil ich so aufgeregt bin. Ich befinde mich auf dem Weg nach Hause. Vor einigen Stunden habe ich den Flieger in Neuseeland bestiegen, wo ich während meiner letzten zwei Wochen mit dem Auto herumgereist bin. Von Sydney und meinen lieben Verwandten dort, habe ich mich schon davor verabschiedet. Jetzt sind es tatsächlich nur noch zwei Stunden, bis meine Füße wieder deutschen Boden berühren.

Ich denke darüber nach, was ich aus den Erlebnissen der letzten siebeneinhalb Monate mitnehme und rufe mir die Frage zurück ins Gedächtnis, die Kay mir mal in Adelaide am Pier gestellt hat: „Glaubst du, dass wir uns hierdurch verändert haben?“ Glaube ich das?

Ich denke, das Reisen hat mich ruhiger gemacht und irgendwie gelassener in vielen Fragen des Lebens. Ich weiß jetzt, dass Rückschläge nicht das Ende der Welt bedeuten und dass sich dadurch, wie von allein, völlig neue Wege und Türen auftun, die man zuvor niemals für möglich gehalten hätte. Es sind nicht die üblichen Dinge, wie Selbstorganisation, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen, die Australien für mich so prägend gemacht haben. Ja, das hat man hier natürlich gelernt, aber es macht keinen neuen Menschen aus mir. Es sind vor allem neue Perspektiven und Facetten, die sich durch das Reisen eröffnet haben und die Welt nun wie durch ein Weitwinkelobjektiv und nicht wie ein Fernrohr erscheinen lassen. Bunter! Detaillierter! Aufregender! Aber ich denke das Größte, was ich aus dieser Erfahrung mitnehme, ist die Dankbarkeit, die ich für ein großartiges Geschenk halte. Ich habe während dieser Monate so viel Liebe, Glück, Warmherzigkeit, Nächstenliebe erfahren, dass ich gar nicht weiß, wie ich das jemals zurückzahlen soll. Und das ist das Gefühl, wegen dem sich das alles hier so sehr gelohnt hat.

Ich schnappe mir mein Backpack vom Gepäckband, setze es ein letztes Mal auf meinen Rücken und trete durch den Gang der Zollkontrolle hinaus in die Wartehalle von Terminal 2 des Frankfurter Flughafens. Und da sehe ich sie auch schon alle stehen und kreischen, mit ihren selbstgemalten Plakaten in den Händen. Bloß nicht heulen, denke ich und schließe meine Liebsten in die Arme, froh darüber wieder daheim zu sein und gleichzeitig traurig, dass jetzt alles endgültig vorbei ist. Es war eine unvergessliche Zeit! Wohin geht es als nächstes? Mal sehen … 😉

Auch Lust auf Work & Travel in Australien? Hier geht’s zum von mir verfassten Guide auf meinem Australien Reisetagebuch.  

 

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