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Politik

Bundestagswahl 2013 – WELTANNALYSIEREN checkt die Wahlprogramme der Parteien

Die Wahlprogramme sind online, die Bundeskanzlerin macht Urlaub und Kanzlerkandidat Peer tourt wacker von Talkshow zu Talkshow – richtig, es ist Wahlkampf! Mehr als einen Monat vor der Bundestagswahl am 22. September laufen die Vorbereitungen der Parteien auf Hochtouren und während Renate Künast durch die Städte reist, die Piraten vor allem im Internet die Werbetrommel rühren und sich die CDU gemütlich auf den – trotz NSA-Skandal – bombastischen Umfragewerten ausruht, widme ich mich heute den Wahlprogrammen der größten und interessantesten Parteien für diese Bundestagswahl. Mit dabei: CDU/CSU, FDP, SPD, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die PIRATENPARTEI.

Berlin Reichstag



Wer sich durch das Internet klickt, auf der Suche nach Inhalten und ernstzunehmenden Wahlversprechen, hat es zunächst alles andere als leicht. „Mindestlohn“, „Spitzensteuersatz“, „Vermögenssteuer“, „Lohnuntergrenze“, „Ehegattensplitting“ – die Liste der Fachwörter in den Wahlprogrammen ist lang, beinahe so lang wie die Programme selbst. Mühsam holpere ich von einem Satz zum nächsten, tippe jedes zehnte Wort in Google ein und verlaufe mich weiter im Irrgarten der politischen Argumentationen. Fast erscheint es mir, als steckte dahinter eine berechnende Absicht. Wollen die mich damit einlullen? Mit jedem Absatz merke ich, wie mich die rosige Sprache, gespickt mit zahlreichen Euphemismen und Neologismen, in ihren Bann zieht. Irgendwie klingt plötzlich alles so wirklichkeitsnah und glaubhaft. Selbst den LINKEN gelingt es, mich an ein oder anderer Stelle in Watte zu packen, bis ich zwischen dem Gefasel-Heuhaufen endlich wieder auf eine Fakten-Stecknadel stoße und mir denke: „So ein Quatsch!“. Als ich dann auch noch, neugierig wie immer, versuche die Steuerpläne der Grünen nachzuvollziehen, ist der Wahnsinn schließlich perfekt und ich sitze verärgert und frustriert, ratlos und desorientiert vor meinem Computer. In meinem Kopf streiten Jürgen Trittin und der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Eric Schweitzer darüber, ob die Pläne der Grünen nun Job-Killer sind oder nicht, ob höhe Steuern nötig sind oder nicht, ob unsere Wirtschaft zu Grunde geht oder nicht. „Wir entlasten 90% der Bevölkerung“, brüllt der eine, „Ihr zerstört die mittelständischen Unternehmen“, schreit der andere und Trittin schleudert zurück: „Aber die betrifft das doch gar nicht!“. Als wäre das nicht genug, wirft jeder mit ein paar Zahlen und Fremdwörtern um sich und ich springe wie ein Flummi zwischen beiden Streithähnen hin und her, weil beides irgendwie schlüssig klingt. Und dann sitze ich da: keinen Schritt weiter, mit Fakten verprügelt und ohne jede Ahnung, was denn nun der Wahrheit entspricht.

Unfähig im September eine Entscheidung auf dieser Grundlage zu treffen, beschließe ich, einen anderen Weg zu gehen. „Was interessiert mich denn eigentlich?“, überlege ich. Steuerpläne schön und gut, aber was sagen die Parteien eigentlich zu Themen, die mich und mein direktes Lebensumfeld betreffen? Kurz, was sagen CDU/CSU, FDP, SPD, DIE GRÜNEN, DIE LINKE und DIE PIRATENPARTEI zu Kinder-, Familien- und Jugendpolitik? Was sagen sie zu Schul- und Bildungspolitik?

Ganz ungeschönt, sachlich und korrekt habe ich für alldiejenigen unter Euch, die sich vielleicht genauso ratlos wie ich am Kopf kratzen, eine Liste der Wahlversprechen zusammengestellt, die zentrale Themen Jugendlicher und junger Erwachsener betreffen.

Wer sich lieber durch den Original-Wahlversprechen-Dschungel kämpfen möchte, findet unten die Wahlprogramme verlinkt (bei den Grünen und den Piraten sogar in einer Kurzfassung ;).

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  • Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages
  • Ehegattensplitting mit Erweiterung zum Familiensplitting
  • Teilelterngeld für berufstätige Eltern
  • Betreuungsgeld, für diejenigen, die ihr Kind lieber zuhause betreuen wollen
  • Mehr Kita-Plätze
  • Großelternzeit
  • Verpflichtende Sprachförderung in der Schule, „wo Sprachkenntnisse nicht ausreichen“
  • Beibehaltung des dreigliedrigen-Schulsystems, Ablehnung der Einheitsschule; starkes Gymnasium
  • Beibehaltung des Religionsunterrichts an Schulen, Abschaffung des konfessionsgebundenen Religionsunterrichts führt zu Aushöhlung christlicher Werte
  • Ausbau des dualen Ausbildungssystems
  • Fahrverbot oder Verbot einen Führerschein zu erwerben als Sanktion im Jugendstrafrecht auf alle Arten von Straftaten
  • „Anwalt der Jugend“, aber keine konkreten Ideen was die Jugendpolitik betrifft

Das original CDU Wahlprogramm gibt’s  HIER

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  • Abschaffung des Betreuungsgeldes
  • Mit dem dadurch verfügbaren Geld sollen Kitas und Tagespflege ausgebaut werden
  • Einkommensabhängiges Kindergeld mit Steigerung um bis zu 140€ pro Kind
  • Abschaffung des Ehegattensplitting, stattdessen Partnerschaftstarif
  • Familienarbeitszeit; ermöglicht Arbeitszeit zeitlich befristet zu reduzieren
  • Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, Gleichstellung im Steuerrecht und Adoptionsrecht
  • Abschaffung der Studien- und Kitagebühren
  • BAfÖG bedarfsgerecht weiterentwickeln, Schüler-BAföG revitalisieren
  • Deutschlandstipendium auslaufen lassen und für BAföG nutzen
  • Ausbau von Ganztagsangeboten, Erleichterung der Übergänge zwischen den einzelnen Schulformen
  • Sorgfältige Vorbereitung einer inklusiven Schule

Das original SPD-Wahlprogramm gibt’s HIER

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  • Evtl. Abschaffung des Betreuungsgeldes
  • Einführung einer „Kinderkarte“, die alle kindbezogenen Leistungen bündelt
  • Arbeitsmodelle für berufstätige Eltern (Home-Office, Freistellungsjahre, Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit)
  • Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare, auch bei Adoption
  • Selbstverwaltete und eigenständige Schulen; eigenes Budget, mehr pädagogische Gestaltungsfreiheit
  • Vielfalt der Bildungswege beibehalten („unsere Stärke“)
  • Bei Bedarf gezielte Sprachförderung vor der Schule
  • Keine besonderen Pläne für Jugendliche

Das original FDP-Wahlprogramm gibt’s HIER

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  • Ausbau von Ganztagsbetreuungsangeboten
  • Kostenloses Essen in Kitas und gebührenfreie Kinderbetreuung
  • Eltern sollen unter Kündigungsschutz  stehen bis das Kind 6 Jahre alt ist
  • Abschaffung der „Herdprämie“ (Betreuungsgeld)
  • Abschaffung des Ehegattensplittings
  • Grundsicherung für Kinder und Jugendliche von 536 Euro, zunächst Erhöhung des Kindergeldes
  • Kinder und Jugendliche sollen freien Zugang zu Museen, Musikschulen, Theatern und anderen kulturellen Einrichtungen erhalten
  • Sofortige Aufstockung der öffentlichen Bildungsausgaben
  • Abschaffung des gegliederten Schulsystems; Gemeinschaftsschulen

Das original Linke-Wahlprogramm gibt’s HIER

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  • Ablehnung von Ziffernnoten und Kopfnoten – Bewertung als Rückmeldung über den Lernfortschritt
  • Gemeinschaftsschulen
  • Demokratisierung von Bildungseinrichtungen – Bildungseinrichtungen transparent und demokratisch verfasst gestalten
  • Anhebung der Ausgaben für Bildung mindestens auf den OECD-Durchschnitt
  • Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums, Anbau und Herstellung für den Eigenbedarf legalisieren (nur für Volljährige)
  • „Ehe“ ersetzen durch „eingetragene Lebenspartnerschaft“ – auf Ehe basierende Rechte sollen auf „eingetragene Lebenspartnerschaft“ übertragen werden
  • Allen Formen der homosexuellen, heterosexuellen und polyamourösen Partnerschaft soll die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ offen stehen

Das original Piraten-Wahlprogramm gibt’s HIER

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  • Abschaffung des Betreuungsgeldes
  • Rechtsanspruch auf Kita-Platz fördern und auf Ganztagsbetreuung ausweiten
  • „Kindergrundsicherung“ – Jedes Kind erhält unabhängig vom Einkommen der Eltern, die gleiche finanzielle Unterstützung vom Staat
  • zur Finanzierung: Abschaffung des Ehegattensplittings, stattdessen Individualbesteuerung
  • Gleichstellung homosexueller Paare; gleiches Adoptionsrecht, Steuer- und Beamtenrecht
  • Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre
  • Qualität und Fairness von Praktika erhöhen
  • Ablehnung von Alkoholverbot und Aufenthaltsverbot für Jugendliche auf öffentlichen Plätzen
  • Mehr Geld für Bildung
  • Gremien in Schulen und Hochschulen, in denen Eltern, Schüler, Lehrer gleichgestellt vertreten sind
  • Verhandlung mit den Ländern über Ganztagsschulen, Gemeinschaftsschulen und Abschaffung des 45-Minuten-Taktes
  • Jährlich 1 Mrd. Euro mehr für Hochschulen

Das original Grüne-Wahlprogramm gibt’s HIER

Quelle: http://web.de/magazine/bundestagswahl/wahlprogramme/17651488-familie-jugend-wahlprogramm-gruenen.html
 

Solltet ihr euch für Gegenüberstellungen zu weiteren Themen interessieren, findet ihr hier eine interessante Seite, die aus den jeweiligen Parteiprogrammen die betreffenden Paragraphen herauszieht. So erspart ihr euch stundenlanges Lesen und habt die Fakten relativ konkret vor Augen.

wom_neutral_300_dpiDer Wahl-O-Mat

Wer trotz der umfassenden Infos noch nicht genau weiß, was er oder sie im September wählen soll, sollte sich unbedingt den „Wahl-O-Mat“ anschauen. Dieses von der bpb entwickelte Tool zeigt an, welche zur Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten steht. Mit Hilfe von 38 Thesen, auf die mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“ und „neutral“ geantwortet werden kann, trägt der Wahl-O-Mat zur Entscheidungsfindung bei und liefert einen ersten Startpunkt. Den Wahl-O-Mat findet ihr ab dem 29. August auf dieser Seite.


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Übrigens, auch wer nicht 18 Jahre alt ist, darf am 13. September wählen. Zwar wählt ihr dann nicht das tatsächliche Parlament, aber immerhin sammelt ihr erste Erfahrungen und könnt ein bisschen in die Politik hinein schnuppern. Bei der letzten Wahl 2009 nahmen an der U18-Wahl 130.000 Kinder und Jugendliche teil. Zu den Wahlunterlagen, Parteiprogrammen und weiteren Infos geht es HIER.





Article Photo by moechen
„Berlin Reichstag“
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Quelle: http://www.piqs.de 

Diskussionen

4 Gedanken zu “Bundestagswahl 2013 – WELTANNALYSIEREN checkt die Wahlprogramme der Parteien

  1. Hauptsache die Grünen lassen die Finger weg von Kindern…. das ist bewußt Zweideutig….

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    Verfasst von Monika Böhler | 25. August 2013, 11:15
  2. Du hast die Situation mal wieder sehr treffend kommentiert 😉
    Und diese Auflistung/Zusammenfassung ist wirklich sehr hilfreich.
    Ich muss ja sagen, die Grünen sind mir schon recht sympathisch, aber die Absenkung des Wahlalters halte ich für keine gute Idee. Und warum ausgerechnet sie irgendein Alkoholverbot abschaffen wollen, leuchtet mir auch nicht ganz ein.
    Aber sind FDP und Grüne (und Piraten) wirklich die einzigen, die die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare fordern? Von der CDU hatte ich ja nichts anderes erwartet, aber ich dachte wir wären so weit, dass wenigstens die SPD das mal aufnimmt. Bitte sehr – macht die Wahl einfacher…

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    Verfasst von Simon Vetter | 9. August 2013, 11:09
    • Geht mir wie dir… find die Grünen super. Die Piraten mit ihren Bildungspolitischen Forderungen sprechen mir – oh Wunder – allerdings auch aus der Seele ^^. Die Sache mit dem Absenken des Wahlalters halte ich übrigens für keine schlechte Idee. Damit wäre nämlich verbunden, dass die Parteien auch mal ein Augenmerk auf die Themen werfen müssen, die Jugendliche betreffen und diese nicht mehr so leicht unter den Tisch fallen lassen können. Allerdings muss man dann auch in der Schule noch stärker Aufklärung betreiben und PoWi mehr Gewicht geben. Zu deiner Frage wegen der Gleichstellung: Auch die SPD fordert das (siehe: „Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, Gleichstellung im Steuerrecht und Adoptionsrecht“).

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      Verfasst von dieweltannalysieren | 15. August 2013, 11:05
      • Stimmt, bei der SPD habe ich den Punkt schlichtweg übersehen, tut mir Leid…
        Und ja, WENN das Wahlalter abgesenkt würde, müsste man natürlich dafür sorgen, dass die Kinder wissen, was sie tun. Allerdings ist da für mich Ärger vorprogrammiert… ich sehe schon kommen, wie Eltern sich dann über vermeintlich für bestimmte Parteien propagierende Lehrer beschweren und so weiter. Politik in der Schule ist immer etwas heikel. Und ich persönlich hätte mit 16 noch gar nicht wählen WOLLEN – fühlte mich noch nicht so ganz bereit dafür.

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        Verfasst von simonvetter | 15. August 2013, 11:21

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