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Schule

Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip

„Generation Y“ nennen Soziologen die heutigen Umdiedreißigjährigen, die sich auf dem Arbeitsmarkt tummeln und sich, so die ZEIT, die Arbeitswelt, nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip, machen „widdewidde wie sie ihnen gefällt“. Sie wollen Spaß haben, schnell vorwärtskommen und dafür wenig Arbeitszeit investieren, heißt es. Der Demografische Wandel machts möglich. Sieht so das Arbeitsleben aus, auf das wir, die „Generation Z“, zusteuern? Oder handelt es sich um eine Utopie? Ein Blick in die Zukunft. 

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Montagmorgen im Jahr 2023. Der Wecker klingelt. Erbarmungslos hämmert der Regen an das Fenster. Ein grauer Wolkenschleier liegt über dem trostlosen grau-schwarzen Meer von Asphalt, aus dem sich wuchtige Häuser in den Himmel bohren, als könnten sie die graue Wolkendecke durchbrechen und so die Sonne nach unten locken.

Wie winzig kleine Ameisen laufen die Menschen zwischen den hupenden Autos durch die Straßen – gehetzt, getrieben. Im Stress des Alltags irren sie umher, auf der Suche nach dem großen Glück, das sie durch Arbeit, Geld und schöne Häuser zu erreichen glauben.

Der junge Mann steht auf, blickt in den Badspiegel, gelassen und zufrieden. Sein Leben läuft gut. Auf dem Weg zur Arbeit checkt er im Zug seine Mails, scrollt in Facebook, twittert zu den Bombenanschlägen in Israel.

Ihm gegenüber sitzt eine Frau in den Vierzigern, gekleidet in ein beiges Designerkostüm, mit streng zum Zopf gebündelten Haaren. Ihre Augen starren matt und müde zum Fenster hinaus, während sie ihre Aktentasche erschöpft aufs Neue daran hindert, über ihren Schoß, die Beine hinunterzugleiten. Alles an ihr wirkt ausgelaugt, ausgebrannt, ausgesaugt. Alles schreit nach Hilfe und Erlösung, weil sie sich totgeackert hat, auf der Suche nach dem großen Glück und das, obwohl sie weiß, dass das noch dreißig Jahre so weiter geht.

Der Bus hält und der junge Mann steigt aus. Die Ledertasche unter dem Arm schützt sein MacBook vor dem Regen, sonst wäre die Präsentation, die er gestern noch zuhause fertiggestellt hat, ruiniert. Die Jeans klebt vom Regen ein bisschen nass an den Beinen.

Freundlich grüßt ihn die junge, hübsche Frau an der Rezeption, wünscht ihm lächelnd einen guten Morgen und drückt ihm gleich seinen Kaffee in die Hand. Sie kennen sich gut, noch von der Uni und wissen beide, dass dieser Job nicht für immer sein wird. Ein, zwei Jahre, vielleicht auch fünf, je nachdem wie stark die Arbeitsbelastung ist und wie gut es ihnen gefällt. Jeder von ihnen hat mehrere Jobangebote, jederzeit und mit Extrawünschen. Keiner von beiden hat vor sich kaputtzuarbeiten, Geld ist sekundär, Karriere auch. Als er über den Fahrstuhl sein Büro erreicht, fährt er mit der Computermaus zunächst über den schwarzen iMac-Bildschirm und tippt „Facebook“ in die Adresszeile seines Browsers. Sein Büro ist groß, größer als das der anderen Mitarbeiter, die schon Jahre für die Firma arbeiten. An den auf seinen Wunsch hin frischgestrichenen orangenen Wänden hängen skurile Bilder, Souvenirs aus den Ländern, die er schon bereist hat. „Choose a job you love, and you will never have to work a day in your life“, steht auf einer Postkarte, die an seinem Bildschirm klebt. Mit dem großen Büro, dem Chillout-Room, der Garten-Lounge, den vielen Urlaubstagen und der Möglichkeit eines Home-Office, hatte die Firma „Wilson & Co.“ den frischgebackenen Hochschulabsolventen am meisten überzeugt und sich gegen fünf andere Bewerber erfolgreich durchgesetzt. Nächstes Jahr wird er ein Sabbatical beantragen – natürlich bezahlt. Wohin, da ist er sich noch nicht sicher. Vielleicht Bali, vielleicht Nepal oder irgendwas in Indien. Zu sich selber finden, das ist es was er will.

Plötzlich klopft es an der Tür.

„Guten Morgen Niklas! Wie sieht’s aus, kannst du die Präsentation heute halten?“, fragt der Chef freundlich, als er das Büro betritt.

„Morgen Frank, klar ich bin soweit. Ich würde dann heute aber gerne schon um vier gehen und den Rest zuhause erledigen. Sehen wir uns heute Abend im Fitnessstudio zum Workout?“, fragt Niklas.

„Ja sicher, dann können wir dort gerade noch den Bericht für ‚BP’ durchsprechen“.

Als der Chef den Raum verlässt, öffnet Niklas sein E-Mail-Postfach. Darin befindet sich eine Mail von einer Firma, bei der er sich kürzlich beworben hat. Sie bieten ihm mehr Geld und weniger Arbeitszeit, ein nagelneues Büro, eine Privatversicherung und zahlreiche Freizeit-Extras. Eine Woche später, legt er seinem Chef die Kündigung auf den Tisch. „Sorry, aber ich lass mich nicht verheizen“, sagt er und geht.

Diskussionen

3 Gedanken zu “Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip

  1. Das stimmt ja auch. Wenn man sich allein den Markt für Ärzte anschaut. Da bekommt man eine Praxis wortwörtlich hinterhergeschmissen, weil die meisten Ärzte bald in Rente gehen müssen und keine Nachfolger haben. Kinderärzte zum Beispiel, oder generell Landärzte.
    Aber leider ist es genauso wie du es schilderst Anna: die jungen Leute wollen das beste Geld und am wenigsten dafür tun. Finde mal jemanden, der freiwillig nach seinem Facharzt Landarzt wird…seeeehr selten das das passiert.
    Und es ist echt seltsam, dass es erst immer hieß: es gibt keine Plätze, wir brauchen Leute aus dem Ausland! Und jetzt auf einmal: wir bieten Ausbildungsplätze da und da an! Uns fehlen Azubis!
    Verkehrte Welt…

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    Verfasst von Natalie B. | 19. Juli 2013, 15:49
  2. Basiert das denn ‚auf einer wahren Geschichte‘ oder auf Gesprächen oder Recherchen – worauf?

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    Verfasst von Simon Vetter | 14. Juli 2013, 13:11
    • Es ist in erster Linie mal Fiktion, entstammt also meiner Fantasie. Dass es in Ansätzen aber bereits in diese Richtung geht, haben mir Artikel der ZEIT und FAZ vor Augen geführt (einen habe ich oben verlinkt). Ich finde das Alles deswegen so paradox, weil man uns eigentlich sonst immer erzählt, dass wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen müssen, Glück haben wenn wir Arbeit bekommen, nehmen müssen, was kommt u.s.w. Dabei weist momentan alles in die Richtung, dass WIR uns die UNTERNEHMEN werden aussuchen können.

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      Verfasst von dieweltannalysieren | 14. Juli 2013, 13:15

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